EXperiment SPrechen - ErKennen und Tätig werden zur Gestaltung zukunftsfähiger Pflegestrukturen in Baden-Württemberg X-SPEKT Pflege BaWü

Stimmen aus dem Vorgängerprojekt Re-SPEKT

„Wir brauchen Räume, wo man sich auch in dieser Heterogenität sieht und hört.“  [Vertreterin der Zivilgesellschaft]

„Sich gegenseitig ernst nehmen und zuhören, zu hören, was hat der andere zu sagen, was hat man selbst zu sagen? Das war für mich einfach ein sehr wertvoller Aspekt.“ [Vertreter der Zivilgesellschaft]

„Also ich denke Re-SPEKT kann auch ein Instrument sein, damit Politiker sich hinterher besser entscheiden können, weil sie die Bürger gehört haben.“ [Vertreterin der Zivilgesellschaft]

„Es war so wie beschrieben: diese Offenheit und Ehrlichkeit hat das Vertrauen aufgebaut.“ [Vertreter der Zivilgesellschaft]

Warum wurde X-SPEKT entwickelt?

Was alle angeht, können nur alle lösen.“ (Friedrich Dürrenmatt)

In unserer Gesellschaft stellen sich gegenwärtig nicht nur zahlreiche Zukunftsfragen, die inhaltlich komplex und in vielen Bereichen noch völlig offen sind, vielmehr stellt sich auch die Frage nach der richtigen und nachhaltigen Art des Fragens. Aktuelle Gesprächsformate sind nicht „gut genug“: ihnen fehlt es an Transparenz, an Bürger:innen-Beteiligung und an Potential, zukunftsfähige Veränderungen hervorzubringen, denn sie sind nicht auf eine gemeinsame Lösungsfindung hin angelegt. Es fehlt der Raum für gemeinsames Lernen und individuelle Reflexionsprozesse.

Um neue Möglichkeiten der Gesprächsführung und damit der Gestaltung von Transformationsprozessen in die Gesellschaft einbringen zu können, erforschen wir bereits seit einigen Jahren in unterschiedlichen Forschungsprojekten das Potential von Gesprächsformaten wie „Town Hall“ und „Re-SPEKT“.

Die zentrale Erkenntnis war hierbei, dass innovative und nachhaltige Transformationsprozesse auf individueller und struktureller Ebene dann besser und/oder schneller eintreten, wenn ein Lernprozess im Sinne eines gemeinsamen Findens neuer Lösungen für gesellschaftliche Fragen gelingt. 

Darüber hinaus konnten wir folgende positive Entwicklungen beobachten:

  • Überbrücken der Kluft von Kommunen zur Zivilgesellschaft.
  • Schaffen von Akzeptanz in der Zivilgesellschaft für politische Entscheidungen.
  • Schaffen von Vertrauen in die Arbeit von Entscheidungsträger:innen durch regelmäßige Beteiligung.
  • Stärken von gesellschaftlichem Zusammenhalt durch die Begegnung heterogener Akteur:innen.
  • Finden neuer (bisher nicht engagierter) Ansprechpartner:innen in der Zivilgesellschaft.
  • Verstärken von Handlungsbereitschaft in der Zivilgesellschaft durch Sichtbarmachen von bereits existierendem Engagement.

Mit X-SPEKT stellen wir ein innovatives Gesprächsinstrument zur Verfügung, das die bereits gewonnenen Erkenntnisse vertieft und neue Akzente setzt, um einen gemeinsamen Lernraum für Gesellschaft, Politik und Wissenschaft zu schaffen.

„Die wichtigste Erkenntnis für mich ist, dass ich zu Beginn des Gespräches ganz, ganz konsequent versuche zu verstehen, wo der andere ist, ganz konsequent und dass ich nicht nach fünf Minuten sage 'ja, ich habʼs verstanden, dann können wir loslegen'. Diese Gesprächsebene also, das ist mir erst mit diesem Projekt, also bei unseren ersten Begegnungen, so bewusstgeworden.“ 
[Vertreter der Zivilgesellschaft]

Durch das regelmäßige Versammeln von Menschen im öffentlichen Raum und durch eine lebendige Kommunikation wollen wir einen gemeinsamen sozialen Raum und gleichermaßen einen Lernraum gestalten, der geeignet ist, aus Diskursen und Diskussionen einen Dialog zu formen. Erst in einer Atmosphäre des Interesses und der Aufmerksamkeit begegnen sich Menschen in ihrer Ganzheit und öffnen sich anderen Perspektiven, wodurch etwas Verbindendes und Gemeinsames entstehen kann: das Fundament für gesellschaftliche Vielfalt, der feste Grund, auf den sich Zukunft bauen lässt. 

X-SPEKT ist ein Instrument, das in besonderem Maße geeignet ist, gesellschaftliche Herausforderungen und Problemlagen zu identifizieren und durch seine klare Struktur die gemeinsame Entwicklung einer Lösung zu fördern. Dabei legen wir besonderen Wert auf:

  • die Solidarisierung und Aktivierung der Zivilgesellschaft.
  • das Finden nachhaltiger Entscheidungen.
  • das Schaffen und Stärken von Gemeinschaft sowie.
  • das Schaffen von Öffentlichkeit für zivilgesellschaftliche Belange.

Um diese Ziele erreichen zu können, liegt ein besonderes Augenmerk auf der Art und Weise, wie das Instrument umgesetzt wird. Es bedarf einer einladenden Rekrutierungsstrategie, einer aufmerksamen Moderation, einer zielsicheren Öffentlichkeitsarbeit, einer innovativen Suche nach Symbiosen und Synergien und v. a. eines aufrichtigen Interesses am Thema.

X-SPEKT in der Umsetzung

Vom 01.09.2024 bis zum 30.09.2025 wird X-SPEKT als Kooperationsprojekt mit dem Diakonischen Werk Baden, der Kirchlichen Sozialstation Sinsheim e.V., der Evangelischen Sozialstation Eppingen e.V und der Evang. Sozialstation Bad Rappenau-Bad Wimpfen e.V. sowie den Kommunen Zuzenhausen, Angelbachtal und Eppingen implementiert.

In der aktuellen Umsetzung und Anpassung an die Bedürfnisse des Kooperationspartners sind die fünf Gesprächsphasen folgendermaßen ausgestaltet:

Darstellung der verschiedenen Projektphasen und Gesprächsformate als Flowchart

Die fünf Gesprächsphasen

Phase I: Gemeinschaft gestalten

In Phase I machen sich die Teilnehmer:innen zunächst miteinander bekannt, denn sie sind jeweils Teil einer sehr heterogenen Gruppe und bringen ganz unterschiedliche Hinter- und Beweggründe mit. Als Vertreter:innen aus dem Bereich Pflege tauschen sie sich mit ihrer Gruppe („Purpose Pflege“) darüber aus, wie eine gemeinsame Position zum Thema „zukunftsfähige Pflege“ aussehen könnte. Diese geben sie an die Vertreter:innen der Zivilgesellschaft weiter und tauschen sich darüber in Phase II aus. 

Die Vertreter:innen der Zivilgesellschaft lernen im „Purpose Zivilgesellschaft“ ihre Gruppe kennen und stellen sich und ihre Beweggründe für die Teilnahme vor. Im Anschluss daran setzen sie sich mit den Ideen aus der Gruppe „Purpose Pflege“ auseinander. Sie versuchen nachzuvollziehen, wo deren Bedarfe liegen und tauschen sich gemeinsam darüber aus, wie sie als Zivilgesellschaft angesprochen sein könnten. Sie bereiten sich auf Phase II vor, indem sie (Verständnis)Fragen formulieren und ihrerseits vorstellen, wie sie sich eine zukunftsfähige Pflege vorstellen.

Beide Gruppen wählen in einer abschließenden Konsensphase jeweils zehn Sprecher:innen aus deren Mitte zur aktiven Teilnahme am weiteren Prozessverlauf. Die anderen Teilnehmer:innen bleiben in Kontakt mit den Sprecher:innen ihrer Gruppe, tauschen sich weiterhin untereinander aus und nehmen, wenn möglich, als Publikum bei den weiteren Veranstaltungen teil.

Phase II: Sichtbarkeit schaffen 

In Phase II findet das öffentliche „Forum zukunftsfähige Pflege I“ statt und die Vertreter:innen der beiden Gruppen lernen sich kennen. Jetzt haben sie Zeit, ihre Fragen zu stellen, denn sie interessieren sich für die Position der anderen und wollen daran mitarbeiten, gemeinsam etwas Neues zu entwickeln. Sie können nun ihre Überlegungen teilen und sind offen für die Rückfragen der anderen Gruppe. Das Forum ist in mehrere Gesprächsrunden unterteilt und hat zum Ziel, dass die Teilnehmer:innen ebenso wie das Publikum eine konkretere Vorstellung davon bekommen, wie sich das Thema Pflege aus verschiedenen Perspektiven darstellt. Über den Austausch gewinnen alle eine erste Vorstellung davon, was nötig ist, damit eine „Allianz“ zwischen den beiden Gruppen entsteht und sie sich unterstützen können.

Phase III: Reflektieren

In Phase III laden wir die Teilnehmer:innen ein, innezuhalten und über das Gehörte und Erlebte nachzudenken. In individuellen Gesprächen folgen wir ihren Überlegungen, Fragen und Ideen, denn wir nehmen ernst, dass es Zeit und Gelegenheit braucht, sich auf neue Perspektiven einzulassen und eine Vision für die Zukunft zu entwickeln. Damit leiten wir über in die nächste Phase, in der die Teilnehmer:innen gemeinsam kreative Ansätze für eine zukunftsfähige Pflege entwickeln.

Phase IV: Ko-kreieren 

In Phase IV laden wir dazu ein, ko-kreativ ans Werk zu gehen! Hier geht es nicht um Praktikabilität und Effizienz, sondern um das Herstellen einer gemeinsamen Idee, für die es sich einzutreten lohnt. Dabei blenden wir die Realität nicht aus, sondern wir nehmen uns den Freiraum, den es braucht, um aus gängigen Denkstrukturen, die uns nicht weiterbringen, auszubrechen und neue (Handlungs)Möglichkeiten zu entdecken. 

Phase V: Engagieren

In der abschließenden Phase V tritt die entstandene „Allianz pro Pflege“, also die Sprecher:innen aus „Purpose Pflege“ und „Purpose Gesellschaft“ mit den Vertreter:innen aus Kommune und Landkreis, die bisher nur beobachtend an den Gesprächsbausteinen teilgenommen haben, in den Austausch. Dabei stellen sie diesen die Vision, die im Lauf des Prozesses und insbesondere im Kreativgespräch gemeinsam gewachsen ist, vor und loten gemeinsam aus, wo sich Ansätze zur Umsetzung zeigen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt und wie die nächsten Schritte gemeinsam gestaltet werden können.

Die Vertreter:innen aus Kommune und Landkreis verstehen sich dabei in erster Linie als Ermöglicher:innen für die eingebrachten Ideen, informieren aber auch über bereits vorhandene Strukturen und Institutionen und klären Zuständigkeiten, um die Ideen der Allianz pro Pflege bestmöglich zu unterstützen.

 

Finanziert durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat.

Symbole der Diakonie Baden, des Instituts für Gerontologie und der Universität Heidelberg